Das Sibyllentürmchen in Erfurt
Geschichten hinter Gittern
Verletzlichkeit des Bauwerks
Am Gothaer Platz in Erfurt steht seit Jahrhunderten das Sibyllentürmchen. Wahrscheinlich nicht immer an der gleichen Stelle, aber doch immer am westlichen Ausgang der Stadt. Der erste Anblick auf den Platz vor dem Stadteingang des Egaparks ist erst mal wenig spektakulär.
Wir haben uns diese mittelalterliche Andachtssäule trotzdem genauer angeschaut. Auf jeder Seite des viereckigen Türmchens findet sich eine Darstellung aus der Leidensgeschichte Christi.
Darüber hinaus schmücken zahlreiche Ornamente das Sibyllentürmchen. Hier zeigt sich auch die Verletzlichkeit des Bauwerks: Immer wieder brechen Teile ab und landen dann wie dieses Ornament in der Regenrinne:
Die Geschichte des Sibyllentürmchens reicht zurück ins 14. Jahrhundert. Etwa zwischen 1370 und 1380 wird es im gotischen Stil erschaffen. Im Jahr 1716 lässt der Mainzer Erzbischof Lothar Franz von Schönborn das Türmchen restaurieren und auf einen neuen Sockel setzen. Als Erfurt im 19. Jahrhundert nach Westen wächst, wird das einst frei stehende Bauwerk Teil des Gothaer Platzes. Im Jahr 1993 erfährt das Sibyllentürmchen eine umfassende Sanierung.
Vieles schwer Erkennbar
Die feine Detailarbeit des Türmchens offenbart sich bei genauerem Hinsehen, wobei einige Gesichter mit ihrer schlichten, aber ausdrucksstarken Gestaltung hervorstechen.
Doch aus der gewöhnlichen Perspektive heraus bleibt vieles schwer erkennbar. Schützende Gitter umgeben die vier Geschichten und verhindern, dass sich die Wirkung der Szenen wie von den Künstlern des Mittelalters beabsichtigt entfaltet – eine Einschränkung, die bereits seit dem 18. Jahrhundert besteht.
Fazit:
Heutzutage mag das Sibyllentürmchen seine einstige Bedeutung verloren haben, doch es bleibt ein stilles Zeugnis dafür, wie tief der christliche Glaube in der Geschichte unserer Vorfahren verwurzelt ist. Das Türmchen, einst Ort der Andacht, erinnert an diese Zeit tiefer künstlerischer Hingabe, die in seiner Schaffung steckt. Inmitten der modernen Welt behält es seine Würde und erzählt leise von einer Zeit, als hier Menschen in stiller Andacht verweilten.