Die Severikirche
Ein stiller Blick in die "kleine Schwester des Domes"Den Berg hinauf …
Wer von der Domstraße aus zur Kirche St. Severi gelangen will, muss erst einige Treppenstufen hinter sich bringen. Von der anderen Seite ist es auch nicht leichter, dort sind die 70 Domstufen zu erklimmen. Das ist der Nachteil des Bauens auf einem Berg. Dafür sind aber die markanten Umrisse von Dom und St. Severi direkt daneben weithin sichtbar. Sie finden sich auf vielen Grafiken und Fotos wieder. Auch das Logo von ich-liebe-erfurt.de ziert diese bekannte Silhouette.
Dann kommt – direkt neben dem alles beherrschenden Dom – das südliche Eingangsportal der Severikirche in Sicht. Eine Portalsäule teilt den zweiflügeligen Eingang, gekrönt von einer steinernen Skulptur. Da die Portalsäulen oft dem Schutzpatron der jeweiligen Kirche vorbehalten waren, stellt die Skulptur vermutlich den des heiligen Severin dar.
Sanft und fast lautlos öffnet sich das schwere Holzportal der Severikirche. Eine dicke, kunstvoll geflochtene Kordel sorgt dafür, dass die Tür behutsam ins Schloss fällt – ein kleines, aber bedeutsames Detail, das die respektvolle Stille in diesem heiligen Raum bewahrt.
Der erste Schritt in die Kirche ist wie eine Zeitreise: Das gedämpfte Licht der späten Nachmittagssonne fällt durch die hohen gotischen Fenster und taucht den Raum in ein warmes, fast mystisches Licht.
Ein Meisterwerk gotischer Architektur
Die Severikirche ist keine gewöhnliche Kirche – sie ist eine der wenigen fünfschiffigen gotischen Hallenkirchen Deutschlands. Ihre Geschichte reicht bis ins Jahr 836 zurück, als Erzbischof Otgar von Mainz die Reliquien des Heiligen Severus nach Erfurt bringen ließ. Sie fanden anfangs in der bescheidenen Klosterkirche des Benediktinerinnenklosters auf dem Domberg ihre Heimstatt. Im Jahre 1123 zogen sich die Benediktinerinnen aus dem dortigen Kloster zurück und setzten auf dem Cyriaxberg ihr klösterliches Leben fort.
Der Bau der heutigen Severikirche wurde um 1275 begonnen und um 1350 fertiggestellt. Das genaue Datum der Weihe dieser gotischen Hallenkirche ist nicht überliefert. Irgendwie steht diese wunderschöne Kirche immer im Schatten des Erfurter Domes, der jedes Jahr von hunderttausenden Touristen besucht wird. Aber an Pracht und Schönheit steht St. Severi ihrem großen Bruder in Nichts nach.
Ein lebendiges Gotteshaus
Die Severikirche ist kein Museum, sondern ein lebendiger Ort des Glaubens und der Kultur. Regelmäßige Gottesdienste, Konzerte und kulturelle Veranstaltungen machen sie zu einem wichtigen spirituellen und kulturellen Zentrum Erfurts. An Sonn- und Feiertagen finden hier katholische Gottesdienste statt – während dieser Zeiten ist eine touristische Besichtigung nicht möglich.
Die hunderte Jahre alten Mauern beherbergen einige bemerkenswerte Schätze
Der Severi-Sarkophag – Ein Meisterwerk mittelalterlicher Kunst
Im sanften Zwielicht entdecken wir den berühmten Severisarkophag aus dem Jahr 1365, der die Gebeine des Heiligen Severus beherbergt. Die vier kunstvoll gestalteten Reliefplatten erzählen mit erstaunlicher Detailgenauigkeit Geschichten aus dem Leben des Heiligen Severus, darunter eine besonders eindrucksvolle Darstellung der Anbetung der Heiligen Drei Könige, die von einem Vorbild in der Nürnberger Lorenzkirche inspiriert wurde. Die nahezu vollplastischen Hochreliefs zeugen von der außergewöhnlichen Kunstfertigkeit des nach ihm benannten „Meisters des Severisarkophags“ und machen das Werk zu einem der bedeutendsten Kunstwerke der deutschen Plastik des 14. Jahrhunderts. Nach einem verheerenden Brand im Jahr 1472 wurde der Sarkophag zerlegt und die Seitenplatten wurden anderweitig in der Kirche aufgestellt, bis man sie 1948 wieder an ihrem heutigen Platz vereinte. Erst 1982 wurde das Ensemble durch einen Abguss der originalen Deckplatte vervollständigt – ein faszinierendes Beispiel dafür, wie sorgsam man über die Jahrhunderte mit diesem kostbaren Zeugnis mittelalterlicher Bildhauerkunst umging.
Die Marienkapelle – Ein Ort der Stille
Die 2008 neu gestaltete Marienkapelle bietet einen besonderen Rückzugsort. Hier können Besucher innehalten und die besondere Atmosphäre der Kirche auf sich wirken lassen. Eine kostbare Steinmadonna aus dem Jahr 1345 wacht über diesen Ort der Kontemplation.
Der prachtvolle Hauptaltar der Severikirche. Dreht man sich um 180 Grad, fällt der Blick auf die Klais-Orgel aus den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts.
Der monumentale Taufstein
Besonders beeindruckend ist der gotische Taufstein aus dem Jahr 1467. Mit seiner Höhe von 15 Metern reicht sein turmartiger Überbau bis ins Gewölbe der Kirche. Gestiftet wurde dieses Meisterwerk der Steinmetzkunst von Kanoniker Johann Steinberg aus Duderstadt. Der Taufstein ruht auf drei schlanken, reich profilierten Pfeilern und zeigt ein komplexes Bildprogramm mit Figuren wie Johannes dem Täufer und dem heiligen Paulus.
Das Ensemble mit dem Erfurter Dom
Gemeinsam mit dem benachbarten Erfurter Dom bildet die Severikirche ein weltweit einzigartiges mittelalterliches Ensemble. Die beiden Kirchen thronen majestätisch über der Stadt und sind das Wahrzeichen Erfurts -selbst an nebligen Tagen. Nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten zwischen 2006 und 2009 erstrahlt die Severikirche heute in neuem Glanz.
Die Kirche kann Montag bis Samstag von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden, am Sonntag öffnen sich wegen des Gottesdienstes erst ab 13 Uhr die Pforten für Touristen. Der Eintritt ist frei. Aber eine Spende zum Erhalt dieser wunderbaren Kirche ist immer willkommen.
An nebligen Tagen sind die beiden Bauwerke nur noch schemenhaft zu erkennen.