Der Polyhymat – die Musikbox aus Erfurt
Ein Gerät auf Höhe der Zeit
Wer bezahlt hat auch bestellt
Stellen Sie sich vor, Sie besuchen eine Gastwirtschaft und bestimmen den halben Abend, welche Musik dort gespielt wird. Oder den Ganzen. 10-mal hintereinander ihr Lieblingslied! Die anderen Gäste erdulden dies stumm, weil sie wissen: Wer die Groschen hat, hat die Macht. Ein unrealistisches Szenario? Heute ja, aber bis in die 1980″er Jahre hinein ist solches möglich, denn da gibt es sie noch in vielen Gaststätten: Die Musikbox oder auch Jukebox. Geld einwerfen, Titel auswählen und schon wird gespielt, was bestellt und bezahlt wird.
In den 1950″er Jahren wird die Musikbox populär und ein gutes Geschäft. Das weiß auch Julius Görner aus Erfurt. Er vertreibt in dieser Zeit Boxen aus den USA auf dem Gebiet der DDR. Diese sind anfällig und schwer zu warten. Außerdem erschwert die Weltpolitik zunehmend den Import westlicher Produkte und Ersatzteile in die DDR. Eine eigene Musikbox muss her. Mit einem Team um Geschäftsführer Julius Görner und dem Rundfunk und Fernsehmechaniker Heinz Hebestreit entsteht so der Polyhymat A.
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Das ist das Ergebnis eines guten Marketings, welches Julius Görner beherrscht. Nachdem somit auf Entscheiderebene die Weichen Richtung „Die DDR braucht eine Musikbox“ gestellt sind, wird auch der Endkunde überzeugt. In einer Radiosendung stellt der zu dieser Zeit äußerst populäre Radiomoderator Rolf Krickow den Polyhymat unter dem Motto „Der richtige Dreh“ einem Millionenpublikum vor.
Ab 1962 wird die Produktion unter der Regie des Funkwerks Erfurt professionalisiert. Durch den Wechsel von der „garagenmäßigen“ Handarbeit in der Leipziger Straße zur industriellen Fertigung im Funkwerk entstehen im Laufe der nächsten Jahre etwa 1500 Musikboxen.
Einige davon befinden sich heute im Lager des Elektromuseums Erfurt. Hier ein Polyhymat 80 E aus dem Jahr 1967:
Dieser verbringt seine „aktive“ Zeit in der Tschechoslowakei und wird deshalb mit Kronen zum Abspielen der ausgewählten Musik gebracht.
Der Polyhymat wartet auf seinen Auftritt
Der Nutzer kann dabei aus 80 Musiktiteln seine Lieblingslieder auswählen, die auf 40 Singles gespeichert sind. Auch nach dem Ende der Produktion kümmern sich Servicetechniker bis in die 1980″er Jahre um die meistens in Gasthäusern aufgestellten Polyhymaten.
Heute sind die noch existierenden Musikboxen Sammlerstücke in Privatbesitz. Einige warten aber auch auf ihren neuerlichen Auftritt in der Öffentlichkeit, wie die Geräte im Lager des Elektromuseums Erfurt.
Vielen Dank an das Thüringer Elektromuseum in Erfurt und die Familie Hebestreit für die Nutzungsrechte an den Fotos 1, 3 und 4.