Erfurt Entfesselt
Auf dem Weg ins Heute
Heute undenkbar ist dies ein gewolltes Szenario über Jahrhunderte. Erfurt ist eine Festung. Nein, nicht der Petersberg oder die Cyriaksburg: Die ganze Stadt. Was im Mittelalter und der frühen Neuzeit Sinn macht, wird im Laufe des 19. Jahrhunderts allerdings zum Problem. Erfurt ist eingeschnürt in diesem Festungsring. Deswegen werden die Mauern, Türme und Wälle ab den 1870″er Jahren abgetragen. Das Ganze dauert fast 30 Jahre.
Das Stadtmuseum Erfurt hat sich dieser „Entfesselung“ der Stadt in der gleichnamigen Sonderausstellung angenommen.
Erfurt als Grenzstadt
Wer die Ausstellung betreten möchte, muss wie zur Zeit vor der „Entfesselung“ durch ein Tor:
Danach geht es durch Erfurter Straßen
weiter in die Vergangenheit. Das einen ganzen Ausstellungsraum einnehmende Modell der Festungsstadt Erfurt zeigt, welch anderes Erscheinungsbild Erfurt über Jahrhunderte hat. Dabei werden die Festungsanlagen bis Mitte des 19. Jahrhunderts noch verstärkt. Nach dem Wiener Kongress ist Erfurt eine wichtige Grenzstadt des Königreichs Preußen geworden.
Öffnung der mittelalterlichen Strukturen
Mit der Reichsgründung 1871 liegt Erfurt allerdings in der Mitte Deutschlands. Jetzt ist der Weg frei, die seit Längerem als Hemmnis empfundenen Anlagen, abzubauen. Schon bei der Einführung einer neuartigen Technologie in den 1840″er Jahren hat sich gezeigt, wie schwierig diese mit der Infrastruktur einer Festungsstadt in Einklang zu bringen ist: Es ist der Anschluss Erfurts an das Eisenbahnnetz 1847, deren Folgen in der Ausstellung so beschrieben werden: „Die Eisenbahn stellte im 19. Jahrhundert die Geschlossenheit der Städte in ganz Europa in Frage und zwang zur Öffnung der oft noch mittelalterlichen Strukturen“. Und die Eisenbahn ist nur ein Aspekt dessen, was unter dem Begriff „Industrialisierung“ auch Erfurt vom Mittelalter in die Neuzeit katapultiert. Ein enormes Wachstum der Bewohner und Gründung von Industriebetrieben von bis dahin unbekannter Größe sind die Folge. Alleine die Herstellung dieser Waffen
in der Preußischen Gewehrfabrik Erfurt beschäftigt 1876 rund 1000 Arbeiter. Diese brauchen, wie tausende anderer Menschen in Erfurt, eine völlig neue Infrastruktur. Ohne die „Entfesselung“ ein Ding der Unmöglichkeit. Dabei ist der Prozess nicht zu Ende und wird Erfurt weiterhin verändern.
Wir bedanken uns beim Stadtmuseum Erfurt für die Unterstützung und die spannende Ausstellung!
Bildnachweise: Foto 1 und 2 mit freundlicher Genehmigung des Stadtmuseums Erfurt.