Martin Luther: Ein Unwetter änderte alles
Die Blitzlegende
Der Lutherstein bei Erfurt erinnert an ein wichtiges Ereignis aus Martin Luthers Leben: Am 2. Juli 1505 geriet Luther auf dem Rückweg von einem Besuch bei seinen Eltern in Mansfeld nach Erfurt in ein schweres Gewitter. In seiner Todesangst soll er nahe dem heutigen Lutherstein bei Stotternheim (einem Vorort von Erfurt) niedergekniet und der Heiligen Anna gelobt haben, Mönch zu werden, wenn er das Unwetter überlebe. Dieser Moment gilt als wichtiger Wendepunkt in Luthers Leben, denn er hielt sein Gelübde und trat kurz darauf, am 17. Juli 1505, in das Erfurter Augustinerkloster ein. Dies war der Beginn seiner geistlichen Laufbahn, die später zur Reformation führen sollte. Der heutige Lutherstein markiert die ungefähre Stelle dieses Ereignisses. Er trägt die Inschrift „Hier gelobte Luther Mönch zu werden“.
Luther bei Stotternheim, auf dem Weg zurück nach Erfurt
Lesen Sie selber, wie Luther diesen Tag erlebte
Der Himmel über mir verdunkelte sich mit jedem Schritt, den mein Pferd auf dem staubigen Weg nach Erfurt machte. Ich hätte auf Vater hören sollen – er hatte mich gewarnt, dass ein Unwetter aufziehen würde. Aber ich, Martin Luther, junger Jurastudent voller Eigensinn, wollte unbedingt noch heute zurück zur Universität.
Die ersten schweren Tropfen prasselten auf mein Gesicht, als ich Stotternheim passierte. Dann geschah alles so schnell: Ein greller Blitz zuckte über den Himmel, so nah, dass die Luft um mich herum zu brennen schien. Der Donner folgte unmittelbar, ohrenbetäubend, als würde der Himmel selbst zerbersten. Mein Pferd bäumte sich auf, und ich wurde zu Boden geschleudert.
Dort lag ich nun, im aufgeweichten Erdreich, während der Regen unbarmherzig auf mich niederprasselte. Ein weiterer Blitz erhellte den Himmel, und in diesem Moment durchfuhr mich eine Erkenntnis wie ein zweiter Blitzschlag: Ich war dem Tod so nahe wie nie zuvor. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, mein ganzer Körper zitterte – nicht nur vor Kälte.
„Heilige Anna!“, schrie ich gegen Wind und Donner an, „Hilf mir! Wenn du mich leben lässt, wenn ich dieses Unwetter überstehe, werde ich Mönch! Ich schwöre es!“
Luther betet im Unwetter knieend zur Heiligen Anna
Die Worte waren mir über die Lippen gekommen, bevor ich überhaupt darüber nachdenken konnte. Was würde mein Vater sagen? Er, der sich so sehr wünschte, dass ich Jurist würde, der mich auf die beste Universität geschickt hatte? All seine Hoffnungen, all seine Pläne für mich – zunichte gemacht durch ein einziges Gelübde in einem Moment der Todesangst.
Doch als ich dort kniete, durchnässt bis auf die Haut, spürte ich eine seltsame Ruhe in mir aufsteigen. Es war, als hätte sich mit diesem Versprechen etwas in mir gelöst, als hätte ich endlich einen Weg gefunden, der wirklich der meine war.
Das Gewitter zog weiter, der Donner wurde leiser, und schließlich brachen die ersten Sonnenstrahlen durch die Wolken. Ich erhob mich, zitternd und durchnässt, aber fest entschlossen. Dies war kein gewöhnliches Unwetter gewesen – es war ein Zeichen. Gott selbst hatte zu mir gesprochen, und ich würde seinem Ruf folgen.
Zwei Wochen später klopfte ich an die Pforte des Augustinerklosters zu Erfurt. Der junge Jurastudent Martin Luther war tot. An seine Stelle würde Bruder Martin treten, nicht ahnend, dass dies der erste Schritt auf einem Weg war, der die Welt verändern würde.
Stop: War das wirklich so?
Zum Leidwesen aller Luther-Fans haben Historiker eine weitaus weniger romantische Version der Geschchte um Luthers Eintritt ins Kloster recherchiert. Er soll angeblich in einem Duell seinen Gegner getötet haben. Und deshalb suchte er Zuflucht im Augustinerkloster, um vor der Rechtsverfolgung sicher zu sein.
Aber: Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass diese Version historisch nicht belegt ist und von seriösen Historikern nicht unterstützt wird. Die beschriebene Geschichte ist eine alternative Darstellung, die sich deutlich von der etablierten historischen Überlieferung unterscheidet.
Die belegten historischen Fakten sind:
- Luther begann tatsächlich sein Jurastudium 1505 an der Universität Erfurt.
- Er trat am 17. Juli 1505 ins Erfurter Augustinerkloster ein.
- Das Gewittererlebnis bei Stotternheim am 2. Juli 1505 ist durch zeitgenössische Quellen und Luthers eigene Aussagen dokumentiert.
Die Geschichte vom Duell mit Hieronymus Buntz und einem angeblichen Totschlag:
- ist durch keine zeitgenössischen Quellen belegt
- widerspricht Luthers gut dokumentierter Biographie
- passt nicht zu den bekannten Reaktionen seiner Familie und Zeitgenossen auf seinen Klostereintritt
- steht im Widerspruch zu Luthers eigenem umfangreichen schriftlichen Nachlass
Behalten wir also Luther einfach als großen Reformator in Erinnerung, der am 31.10. seine Thesen an das Wittenberger Kirchentor schlug.
Luther im Erfurter Augustinerkloster